Schaut hin

Schaut hin und hört hin ! (Markus 6:38 und Jes 51,1)

« Schaut hin« , sagt Christus zu seinen Jüngern in der Geschichte der Vermehrung von fünf Broten und zwei Fischen für 5.000 Männer (Frauen und Kinder nicht mitgezählt).

Dieses Motto « Schaut hin » (Mk 6,38) steht im Mittelpunkt des ökumenischen Kirchentages.

Wir wollen auch es im Mittelpunkt dieses Gottesdienst stellen.

Und ein Text aus dem Propheten Jesaja ruft uns zum Hinhören auf.

„Schaut hin und hört hin“, das sind die Anrufe, die wir heute Morgen empfangen wollen!

 

Befehl und Gegenbefehl!

Es ist interessant zu sehen, dass diese Geschichte mit einem Befehl beginnt, den die Jünger Jesus geben:
« Schick sie weg, damit sie … sich etwas zu essen kaufen können!« 

Jesus sagt, was sie tun sollen! Viele Male tun unsere Gebete dasselbe. Wir bitten Gott, ohne zu erkennen, dass jedes Gebet eine Verantwortung ist. 

Doch Jesus antwortet auf diesen Befehl der Jünger mit einem Gegenbefehl:  » Gebt ihr ihnen zu essen! »!

Und dieser Gegenbefehl von Jesus verwirrt sie. Sie werden mit einer unmöglichen Sache konfrontiert:
« Sollen wir weggehen, für zweihundert Denare Brot kaufen und es ihnen zu essen geben?“

Zweihundert Denare sind ein halber Jahreslohn! Es ist unmöglich für diese Fischer, eine solche Summe aufzubringen!

Da sprach Jesus zu ihnen: „Wie viele Brote habt ihr? Schaut hin“ (oder, wörtlich übersetzt, „Geht und seht nach!“)

Anstatt gleich an das Große zu denken, fordert Jesus sie auf, sich umzusehen, ohne lange zu suchen.

Jesus appellierte an ihre Verantwortung, indem er sagte: « Schaut hin“

Das sagt er uns auch heute noch.

« Schaut hin » ist ein Aufruf, unsere Verantwortung und Mission als Christen aktiv wahrzunehmen.

 

Schaut auf Jesus, den Verlassene!

Das Wort « Schaut hin » ruft uns auf, die Sorgen und Leiden um uns herum ernst zu nehmen.

Umgekehrt stellt uns der Ruf Jesu diese anderen Fragen: Was vernachlässigen wir? Wovor verschließen wir die Augen? Wo schauen wir weg?

« Schaut hin » bedeutet vor allem, zu gehen und dem Schrei des verlassenen Jesus zu begegnen.

Er wartet auf uns in den Situationen und Menschen, denen wir jeden Tag begegnen. Auf seinen Schrei aufmerksam zu sein, bedeutet, den Schmerz des anderen anzunehmen, ohne vor ihm wegzulaufen, ihn in den Schreien unserer Brüder und Schwestern zu lieben.

« Schaut hin » ist nicht nur ein Blick, sondern ein Perspektivwechsel und ein verantwortungsvolles Engagement.

Es ist ein Aufruf an unsere Freiheit, persönliche Initiativen zu ergreifen, ohne darauf zu warten, unsere Verantwortung an Institutionen oder Organisationen zu übertragen.

Jeder von uns kann durch seine Antwort auf den Ruf Christi einen Unterschied machen!

 

Schaut hin, mit Jesus in unserer Mitte!

Aber dieser Ruf Christi « Schaut hin » bedeutet auch, dass Jesus mit uns schaut.

Er ist der Auferstandene, der bis zum Ende der Zeit bei uns ist; er schaut auf seine Schöpfung und will sich um jeden Menschen kümmern.  

So können wir die Situationen in unserer Welt mit dem Vertrauen betrachten, dass Gott sie auch sieht.

Zu sagen, dass Gott unser Leiden sieht, bedeutet, dass er uns liebt. Und zu sagen, dass er uns liebt, bedeutet, dass er eingreifen wird, wie er es für sein Volk Israel getan hat, um es aus der Sklaverei zu befreien: « Er schaute auf die Israeliten und sah ihre Lage » (Exodus 3:25).

Weil er mit uns schaut, schenkt der Auferstandene unter uns Licht, Einsicht, Schwung und Zuversicht.

Das Wesentliche ist, ihm einen Raum unter uns zu geben, indem wir in der Einfachheit und Barmherzigkeit der Seligpreisungen leben, damit er sich offenbaren kann.

 

« Schaut hin, gemeinsam und gut vorbereitet! »

Wir eingeladen worden, « gemeinsam hinauszugehen und gut vorbereitet zu sein« .

Der Ruf Jesu « Schaut hin » greift diese Aufforderung auf.

« Schaut hin, gemeinsam und gut vorbereitet!“ Jesus sagt dies zu jedem von uns persönlich, aber auch zu uns gemeinsam.

Wie können wir gemeinsam hinausgehen, gut vorbereitet, um zu « hinschauen« ?

Jesus ruft uns auf, die Nöte, die Armut, die Ungerechtigkeiten, die Lügen, die Unehrlichkeit zu erkennen, um Gerechtigkeit, Wahrheit, Solidarität, Ehrlichkeit, Großzügigkeit zu setzen.

 

Wie zu hinschauen?

Aber wie können wir diese immensen Bedürfnisse und schrecklichen Verlassenheit sehen?

Wir finden die Antwort in dem Psalm, den wir gebetet haben.

Um zu sehen, brauchen wir Gott, der uns die Augen öffnet: « Gott: Öffne mir die Augen, und ich werde besser sehen » (Psalm 119,18).

Denn es herrscht heute viel Unklarheit. Wer kann sagen, dass er in der aktuellen Situation der Pandemie klarsieht?

Wer kann Wahrheit und Ehrlichkeit erkennen, wenn Ideologien durch mächtige Medien alle Aspekte unserer Gesellschaft durchdringen? 

Die Antwort dieses Psalms ist leuchtend: Um zu sehen, müssen wir hinhören, das Wort Gottes in unserem Herzen bewahren, ständig darüber nachdenken, es gegen alle Widerstände befolgen, es nicht vergessen, es auswendig lernen (V. 10-17).

Damit uns die Schuppen von den Augen fallen, müssen unsere Ohren für das Wort Gottes geöffnet werden.

 

Hinschauen und hinhören

Der Sinn unseres Lebens ist es, zuzuhören. In der Heiligen Schrift kommt das Hören immer vor dem Sehen!

Gottes Aufruf an Israel lautet nicht, zu sehen, sondern zu hören: « Höre, Israel: der Herr ist einzig…« ! 

Jesus ruft uns auf, hinauszugehen und zu « hinschauen« , unserem Nächsten zu begegnen und ihn zu lieben, aber das können wir nur tun, wenn wir ihn an die erste Stelle setzen, wenn wir ihm mit dem Herzen und von ganzem Herzen „hinhören“.

Wir dürfen die beiden Gebote der Gottesliebe und der Nächstenliebe niemals trennen.

Ihn von ganzem Herzen zu lieben bedeutet, auf sein Wort zu hören, es zu leben und seinen Willen zu tun.


Die Dimensionen des Hinhörens

Dazu ruft uns der Prophet Jesaja auf: „Hört hin! Gott spricht zu euch“ (Jes 55,1-5)

Mehrmals ruft er zum Hinhören und zur Achtsamkeit auf.

Es gibt keine wirkliche Veränderung, keine Befreiung, keine Hoffnung außer dem Hören auf das Wort Gottes

Hinhören bedeutet für ihn mehrere Dinge:

– Sich erinnern zunächst daran, was Gott getan hat: Er segnete Abraham, als er kinderlos war.

– Hinhören heißt vertrauen. So wie er Abraham Nachkommenschaft gab, wird er dem zerstörten Zion Einwohner geben. Er wird aus diesem verwüsteten Land einen Garten Eden machen.

Und für uns heute, was bedeutet es, hinzuhören?

– Hinhören bedeutet, sich ständig an das Werk, die Worte, den Tod und die Auferstehung Jesu zu erinnern, wie wir es in der Taufe, dem Abendmahl oder der Eucharistie tun.

– Hinhören bedeutet, den Heiligen Geist unaufhörlich anzurufen, damit er uns schenkt, « jedes Wort in unserem Herzen zu meditieren« , wie es Maria, die Mutter Jesu, tat.

– Hinhören bedeutet, in eine kontemplativere Dimension unseres Lebens einzutreten, in der wir die Dinge und Menschen durch ihr Zentrum und ihre Beziehung zu Gott betrachten. In unserer Welt ist alles mit dem Faden der Liebe Gottes verbunden. Dies war die Überzeugung, die Chiara beseelte. Aus diesem Grund müssen wir uns jeden Tag Zeit nehmen, in uns zu gehen, indem wir uns mit den biblischen Worten auseinandersetzen. Kontemplieren heißt, alle Dinge mit dem verlassenen und auferstandenen Jesus in unserer Mitte zu verbinden.

 

Fazit: Wurzeln und Dialog

ArbreWir brauchen heute diese Einladungen zum «Hinschauen» und «Hinhören». 

Möge das Hören auf das Wort uns dazu führen, hinauszugehen, um zu hinschauen, zu begegnen, um unseren Glauben in Tat und Wort zu bezeugen.

Aber unser Handeln vor Ort soll durch das Hinhören auf das Wort Gottes ständig erneuert werden.

Indem wir auf Gott hören, sinken die Wurzeln in die Erde und geben dem Baum Stabilität, aber es ist, indem wir zu unserem Nächsten gehen und ihm dienen, dass der Baum wächst.

Oder wie Papst Franziskus es ausdrückt:

« Die Wurzeln sind stark,
aber der Baum wächst im Dialog mit der Realität. »

 

Diese Predigt auf französisch


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